Pressemitteilung: Statement zur Kündigung der Erfurter Gleichstellungsbeauftragter

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hellblauer Rahmen mit Text: Statement zur Kündigung der Erfurter Gleichstellungsbeauftragten

Pressemitteilung

Kündigung der ehemaligen Gleichstellungbeauftragten Marie-Ellen Witzmann: Stellungnahme der BAG gegenüber Dr. Knoblich, Dezernent für Kultur der Stadt Erfurt

Wir widersprechen den Ansichten des Erfurter Dezernenten für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe, Dr. Tobias Knoblich deutlich, nachdem die Presse- Öffentlichkeitsarbeit von städtischen Bediensteten, - also auch der GB ausschließlich dem positiven Image der Stadt dienen sollte. Knoblich hatte sich in einem Brief an BAG-Bundessprecherin Katrin Brüninghold gewandt und darin seine Sichtweisen zur fristlosen Kündigung der damaligen Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann erläutert. Diese entsprechen unserer Auffassung nach in keiner Weise dem Thüringer Gleichstellungsgesetz. Die kommunale Gleichstellungsbeauftragte hat nach § 23 Absatz 2 Nr. 8 ThürGG das Recht, sich öffentlich zu äußern. Darüber hinaus agiert sie laut § 23 Absatz 1 Satz 4 ThürGG weisungsfrei. Sie ist deshalb ausdrücklich nicht verpflichtet, Äußerungen gegenüber der Presse mit der Pressestelle der Stadtverwaltung vorher abzuklären, da sich ihre Weisungsfreiheit auch auf die erforderliche Öffentlichkeitsarbeit bezieht. 


Im vorliegenden Fall hat nach unserem Kenntnisstand die Pressestelle eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit verweigert. Eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte in Thüringen hat hingegen per se ihren amtlichen Auftrag unabhängig von der Haltung einer Stadtverwaltung umzusetzen.
In unserem Statement bitten wir Herrn Dr. Knoblich und die Stadt Erfurt darum, Solidarität mit den Opfern sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu zeigen und sich tatsächlich für die Rechte und den Schutz der Betroffenen von Diskriminierung einzusetzen. Außerdem fordern wir Herrn Knoblich und die Stadt Erfurt dazu auf, der Gleichstellungsarbeit auch in Erfurt den wichtigen Stellungswert beizumessen, der in unserem Grundgesetz verankert ist.

Das komplette Statement der BAG ist dieser Mail angehängt

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Brüninghold, BAG-Bundessprecherin Tel. 02324/2043010
und Dr. Marie-Luise Löffler, BAG- Bundessprecherin

Statement

                                                                  

Berlin, den 25.3.2024

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen zur sexuellen Belästigung am Theater Erfurt und der fristlosen Kündigung von Frau Witzmann

Sehr geehrter Herr Dr. Knoblich,

Sie haben sich schriftlich an die Gleichstellungs-beauftragte der Stadt Hattingen als Reaktion auf die Berichterstattung des MDR am 08.März 2024 gewandt und sich zu dem Fall der Gleichstellungsbeauftragten und den Vorwürfen sexueller Belästigung am Theater Erfurt geäußert. 

Ihre Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Tätigkeit einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sind aus unserer Sicht nicht nur unvollständig, sondern stellen auch eine Verzerrung der Tatsachen dar und widersprechen dem Thüringer Gleichstellungsgesetz. 

Dies gilt insbesondere für Ihre Ausführungen zur Öffentlichkeitsarbeit. Sie gehen davon aus, dass die Öffentlichkeitsarbeit das vorrangige Ziel verfolgt, mit Informationsmaßnahmen das Image und den Ruf der Kommune positiv zu gestalten. In Bezug auf die konkrete Arbeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten vertreten Sie die Ansicht, dass diese im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit den Auftrag verfolgen soll, über ihre Tätigkeit Auskunft zu geben, auf Gleichstellungsarbeit aufmerksam zu machen -  und sich im Übrigen die Öffentlichkeitsarbeit der Gleichstellungsbeauftragten wohl nur auf die Schaffung eines positiven Images für die Stadt beziehen soll.

Die Zuständigkeit und Kompetenzen von Gleichstellungsbeauftragten sind im Landesrecht geregelt. Trotzdem vertreten Sie die Auffassung, dass eine Gleichstellungsbeauftragte lediglich in der positiven Darstellung der Kommunalverwaltung und ihrer Tätigkeiten in der Stadtgesellschaft, in der sie arbeitet, agieren kann. Kritische und nicht auf das positive Image der Stadt bedachte Äußerungen sind demnach nicht vorgesehen. 

Dies entspricht aus unserer Sicht weder dem Auftrag noch der täglichen Arbeit einer Gleichstellungsbeauftragten in einer Kommune. Es ist die Aufgabe von kommunalen Gleichstellungsbeauftragten geschlechtsspezifische Diskriminierung sichtbar zu machen und abzubauen. Insbesondere im Themenfeld sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bedeutet das, auf Missstände aufmerksam zu machen und die Betroffenen zu beraten und zu begleiten. Es ist demnach dezidiert nicht ihre Aufgabe, positive Imageförderung mit zu betreiben. 

Darüber hinaus betonen wir nochmals, dass eine kommunale Gleichstellungs-beauftragte in Thüringen nach dem dort geltenden Gleichstellungsgesetz (ThürGG) innerhalb ihres Aufgabenfeldes weisungsfrei agiert.

Ihren Äußerungen hierzu entnehmen wir, dass Sie die Auffassung vertreten, dass eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte in Thüringen nur fachlich weisungsfrei, aber ansonsten Teil einer hierarchischen Struktur innerhalb der Verwaltung ist. In diesem Sinne verfolgen Sie den Ansatz, dass eine kommunale Gleichstellungs-beauftragte nur im Zusammenwirken mit der Dienststelle agieren darf. Dies gelte auch für Pressemitteilungen, die innerhalb der Stadt Erfurt durch die Pressestelle zu erfolgen haben. 

Die kommunale Gleichstellungsbeauftragte hat jedoch nach § 23 Absatz 2 Nr. 8 ThürGG das Recht, sich öffentlich zu äußern. Darüber hinaus agiert sie laut § 23 Absatz 1 Satz 4 ThürGG weisungsfrei. Sie ist deshalb nach unserer Auffassung ausdrücklich nicht verpflichtet, Äußerungen gegenüber der Presse mit der Pressestelle der Stadtverwaltung vorher abzuklären, da sich ihre Weisungsfreiheit auch auf die erforderliche Öffentlichkeitsarbeit bezieht. 

Im vorliegenden Fall hat nach unserem Kenntnisstand die Pressestelle eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit verweigert. Eine kommunale Gleichstellungs-beauftragte in Thüringen hat hingegen per se ihren amtlichen Auftrag unabhängig von der Haltung einer Stadtverwaltung umzusetzen.

Darüber hinaus ist es für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung, dass kommunale Gleichstellungsbeauftragte ihre Interessen schützen und unterstützen, auch wenn dies gegebenenfalls zu Konflikten mit der Dienststelle führen kann. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte wie Frau Witzmann spielen daher eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierung und sexueller Belästigung. Ihr Handeln sollte aus diesem Grunde nicht in Frage gestellt und öffentlich diskreditiert, sondern vielmehr unterstützt und gefördert werden. 

Wir können nicht nachvollziehen, wie Sie vor diesem Hintergrund von einem „Opfernarrativ“ sprechen, das von Frau Witzmann medial konstruiert wird. Dem treten wir entschieden entgegen und sehen darin eine Opfer-Täter-Umkehr. 

Frau Witzmann hat aus unserer Sicht mutig und entschlossen gehandelt, um die Interessen der Betroffenen sexueller Belästigung zu vertreten und für Gerechtigkeit einzutreten. Anstatt ihre Rolle und Integrität anzuzweifeln, sollten Sie die Betroffenen und die wichtige Arbeit einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten unterstützen. 

Die extreme Diskrepanz zwischen der Behandlung des Intendanten Guy Montavon und der ehemaligen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zeigt aus unserer Sicht eindeutig, dass es der Stadt Erfurt in diesem Falle nicht um die Belange und den Schutz der Betroffenen von sexueller Belästigung, sondern um andere Interessen geht. Es liegt die Vermutung nahe, dass es der Stadt wichtiger ist, den Intendanten zu schützen und das positive Image der Stadt zu wahren.  Nur so ist zu erklären, dass Frau Witzmann durch die fristlose Kündigung von einem Tag auf den anderen ihre finanzielle Lebensgrundlage entzogen wurde, während Herr Montavon bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit unter Zahlung seiner vollen Bezüge von der Arbeit freigestellt wurde. Dies ist eine strukturelle Ungerechtigkeit, die die Machtverhältnisse in Erfurt deutlich zu Tage treten lässt 

Es ist an der Zeit, Solidarität zu zeigen und sich tatsächlich für die Rechte und den Schutz der Betroffenen von Diskriminierung einzusetzen und der Gleichstellungsarbeit auch in Erfurt den wichtigen Stellungswert beizumessen, der in unserem Grundgesetz verankert ist.

Mit freundlichen Grüßen

gez. 

 

Katrin Brüninghold als Bundessprecherin und 

Dr. Marie-Luise Löffler als Bundessprecherin