„Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt die ehemalige Nürnberger Frauenbeauftragte Ida Hiller.
Nach 27 Jahren ging Ida Hiller (2014) in die Altersteilzeit.
Was haben sie an der Gleichstellungsarbeit geschätzt?
I.H.: Dass wir etwas verändern können, wichtige Themen auf die Agenda setzen, die öffentlich diskutiert werden. Durch die Arbeit habe ich sehr viele engagierte und interessante Frauen und Männer kennengelernt. Ich bin gegen Ungerechtigkeiten, als Frauenbeauftragte kann ich mich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen.
Was waren Erfolge?
I.H.: Wir haben über die vielen Jahre ein gutes Frauennetzwerk aufgebaut und es geschafft, die Kommunalpolitik von der Wichtigkeit der Frauenberatungsstellen- und Treffpunkte zu überzeugen. Trotz schwieriger Haushaltslage konnten in Nürnberg alle diese Frauennetzwerke erhalten werden. Wir haben eine gute Lobby und jahrzehntelang vertrauensvoll mit Politik, Verwaltung und JournalistInnen zusammen gearbeitet. Wir sind verlässliche Partnerinnen und haben erreicht, dass das Thema der Geschlechterverhältnisse in der Stadtverwaltung angekommen ist. Eine Sensibilität für Themen wie Sexismus und häusliche Gewalt konnte erreicht werden. Als Frauenbeauftragte arbeite ich an Ratsvorlagen mit, meine Fachkompetenz wird anerkannt und nachgefragt. Das Frauenbüro gehört dazu und wird ernstgenommen. Jedes Jahr findet im Historischen Rathaussaal ein Frauenempfang mit ca. 500 Gästen statt, bekannte feministische Wissenschaftlerinnen werden dazu eingeladen. Alle zwei Jahre wird der Frauenförderpreis verliehen, der eine große Reputation hat. Der Oberbürgermeister ist Vorsitzender der Jury und übergibt den Preis. Diese Großveranstaltungen sind ein gesellschaftliches Ereignis in der Stadt. Wenn ich die Entwicklung über die vielen Jahre betrachte, meine ich, viel erreicht zu haben. Vor 27 Jahren wurde ich für die Forderung nach – längeren Öffnungszeiten in Kitas - ausgelacht oder bekam zu hören „ die will uns unsere Kinder wegnehmen“. Heute gibt es in Nürnberg für 40 Prozent der 0- 3 jährigen Kinder Krippenplätze. Und in unserem Kommunalparlament sind Stadträtinnen und Stadträte paritätisch vertreten. „Steter Tropfen höhlt eben den Stein“.
Was empört Sie?
I.H.: Ich finde es einen Skandal, dass immer noch zu wenig Frauen an politischen Entscheidungen beteiligt und manche Kommunalparlamente „frauenfrei“ sind. Es empört mich, wenn Frauen herablassend behandelt werden, wenn sie und ihre Anliegen lächerlich gemacht werden. Unerträglich finde ich männliches Imponiergehabe und Sexismus im Alltag. Außerdem ärgert mich, die sogenannte „neue Männerbewegung“, die Fakten wie Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern oder den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen in Frage stellt. Die behauptet, dass eigentlich Männer diskriminiert sind und „jetzt die Männer dran sind“.
Was wünschen Sie sich für die künftige Gleichstellungsarbeit?
I.H.: Das Paritégesetz für Kommunalparlamente, dass endlich Frauen und Männer Politik gestalten. Die Reproduktionsarbeit soll gerecht verteilt werden: Die Männer müssen ran! Das bedeutet aber auch, dass wir eine Arbeitszeitverkürzung für alle brauchen. Denn nur so kann es eine Vereinbarkeit von Familie, Zeit für sich und den Beruf geben. Und natürlich soll gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, unabhängig vom Geschlecht. Dienstleistungs- und soziale Berufe müssen finanziell aufgewertet werden. Erreichtes ist immer wieder gefährdet. Zurücklehnen ist nicht drin. Wir müssen dranbleiben: eine emanzipatorische Jungenarbeit und eine geschlechterbewusste Erziehung ist erforderlich. Die Zuschreibung von Geschlechterrollen muss verhindert werden.
Welche Eigenschaften waren für sie als Gleichstellungsbeauftragte wichtig?
I.H.: Leidenschaft und Begeisterung für die Sache, ein Gefühl für Ungerechtigkeit und der Wille zur Veränderung. Mut, Humor, Ironie und Glaubwürdigkeit. Gerade in unserer Arbeit ist das Private politisch, das persönliche spielt eine große Rolle. Angriffe und Anfeindungen möglichst nicht persönlich nehmen. Das ist manchmal nicht einfach, es hilft, sich nicht so wichtig zu nehmen. Ich habe Widersacher auch überrascht, indem ich ihre Erwartungen nicht erfüllt habe, für sie überraschende Dinge getan habe. Eben keine Spaßbremse und Männerhasserin bin. Spaß muss sein, wir sind ja keine Masochistinnen, die gegen Windmühlen kämpfen wollen.