Begründung der Jury für die Preisträgerstädte

Kategorie: Kommunen über 100.000 Einwohner*innen, 1. Preis Nürnberg

Die Stadt Nürnberg überzeugt die Jury mit ihrem besonderen strukturellen Konzept für Gleichstellung in der Kommune und ihrer Vernetzung innerhalb der Verwaltung. Neben der Förderung von Frauen werden auch Männer als Akteure und Adressaten von Gleichstellung angesprochen zum Beispiel durch die jährlich stattfindenden Männerwochen und einem Programm für Väter und Kinder. Seit 2016 gibt es bei der Stadt Nürnberg einen Ansprechpartner für Männer, der dazu beiträgt, dass Gleichstellung ganzheitlich gedacht wird.

Hervorzuheben ist außerdem die Verknüpfung von Gleichstellung und Antidiskriminierung. Die Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg ist zusammen mit dem Menschenrechtsbüro in einer Stabsstelle direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt. Darüber hinaus gibt es eine eigene LSBTIQ*-Koordinierungsstelle.

Die Jury ist außerdem davon beeindruckt, dass im Stadtrat alle Ratsvorlagen einem Diversity-Check unterzogen werden.

Die Stadt Nürnberg hat erste Schritte unternommen, um zu prüfen ob und wie in der Zukunft Haushaltsmittel geschlechtergerechter verteilt werden könnten (Gender Budgeting). Dazu wurde Gender Budgeting im Gleichstellungsaktionsplan verankert und erste Schritte in Teilbereichen des Haushalts einzelner Dienststellen berücksichtigt. Beim Thema geschlechtsspezifische Gewalt zeichnet sich Nürnberg durch besondere kreative Ideen aus, z.B. mit der Veranstaltung eines BarCamps. Dieses diente zur Diskussion und zum Austausch zwischen lokalen Expert*innen aus dem Bereich geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt und weiteren Interessierten.

Die Stadt bemüht sich außerdem darum, mehr Frauen in die Politik zu bringen und organisiert ein Speed Dating von Mädchen mit Politikerinnen, um junge Frauen für politische Ämter zu begeistern.

Der Frauenanteil im Rat liegt bei 33% bis 45%.

 

2. Preis: Mannheim

Die Stadt Mannheim hat den Beitritt zur Europäischen Gleichstellungscharta mit vielen Veranstaltungen flankiert und dabei auch Bürger*innen stark eingebunden (150 Teilnehmer*innen aus 55 Organisationen).Der Aktionsplan zur Charta in Form eines Projektkataloges ist mit 22 Projekten in sieben Wirkungsfeldern breit aufgestellt und Teil des Leitbildes der Stadt.

Der Jury hat besonders gefallen, dass die Stadt zusätzlich zu ihrer Referentinnenstelle für das Thema Gewalt und Menschenhandel auch eine Stelle für die Umsetzung der Istanbul-Konvention eingerichtet hat.

Und auch in Sachen innovative Ideen hat Mannheim einiges zu bieten: Das 2019 eingerichtete komplett digitalisierte Mannheimer FrauenNachtTaxi befördert Frauen und Mädchen ab 14 Jahren ganzjährig zwischen 22:00 und 06:00 Uhr zu einem um 6 € reduzierten Fahrpreis zu jedem gewünschten Zielort. Das FrauenNachtTaxi wird aus Haushaltsmitteln mit 275.000 Euro pro Jahr finanziert.

Die Jury war außerdem beeindruckt vom FrauenKulturRat,  einem bundesweit einzigartigen Modell. Seine Mitglieder sind weibliche Führungskräfte aus wichtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, der Wirtschaft und der freien Szene der Stadt Mannheim Fokussiert auf Genderaspekte nimmt er Einfluss auf kulturpolitische Entscheidungen.

Bei der internen Gleichstellung punktet Mannheim vor allem mit insgesamt 27 dienststellenspezifischen Chancengleichheitsplänen, die die Spezifika der einzelnen Dienststellen berücksichtigen.

Besonders ist auch das Format „Lunch and Learn“ für Frauen aus allen drei Führungsebenen. Viermal im Jahr wird eine kollegiale Supervision angeboten, ergänzt durch Blitzreferate, die das Themenspektrum Führung im Blick haben. Innovativ ist auch die Einführung einer „Equality Balance Scorcard“, der unter anderem die Erstellung eines jährlich erscheinenden „Gender Reports“ ermöglicht.

Der Frauenanteil im Rat beträgt 33% bis 45%.

 

2. Preis: Köln

Der Jury haben besonders die Maßnahmen für eine nachhaltige Gleichstellungsarbeit in der Verwaltung mit Gender Schulungen, einer Väterarbeit und dem dezidierten Programm für Frauen in Führung gefallen. Köln konnte außerdem mit einem umfassenden Angebot gegen geschlechtsspezifischer Gewalt punkten. Die Kölner Gleichstellungsarbeit ist nach außen sichtbar und messbar über den Gleichstellungsausschuss, Gleichstellungsplan, Zielvereinbarung zum Auditierungsprozess zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zwei Gleichstellungsaktionspläne zur Europäischen Gleichstellungscharta. Gut gefallen hat der Jury, dass die Stadt einen großen Wert auf Gender-, Diversity- und Inklusionskompetenz legt und dazu zahlreiche Fortbildungen anbietet.  Auch bei der Väterarbeit ist Köln weit vorne: Im Rahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde das Väternetzwerk „Die (Kölner) Stadtväter“ gegründet, um Männern einen Raum für „väterbewusste Personalpolitik“ zu bieten und um besonders auf die Bedürfnisse der Väter eingehen zu können.

Köln wird künftig Haushaltsausgaben geschlechtergerecht gestalten. Zunächst sollen dafür Daten für sogenannte Pilotämter erhoben werden. Die Stadt will außerdem das Sicherheitsgefühl von Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum erhöhen. In Kooperation mit Kölner Bürger*innen werden „geschützte Orte“ geschaffen, im Rahmen des Projektes „Edelgard“ gibt es außerdem Beratungsangebote, eine mobile Anlaufstelle bei Großevents, Mehrsprachige Informationen und Online-Angebote.

Besonders ist auch der digitale Kölner Frauen*Stadtplan, eine Internetseite, die den Nutzer*innen Informationen zu historischen und zeitgenössischen Frauen, Frauenorganisationen sowie frauenrelevanten Orten in Köln bereitstellt.

Die Stadt Köln ist aktives Mitglied im Bündnis "Mit Frauen in Führung", welches sich zum Ziel gesetzt hat, Potenziale von Frauen zu fördern sowie den Frauenanteil in Führungspositionen aktiv zu erhöhen.

Der Frauenanteil im Rat beträgt 33% bis 45%.

 

Kategorie: Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohner*innen

1. Preis: Tübingen

Als kleinere Kommune hat Tübingen es geschafft, der Europäischen Gleichstellungscharta beizutreten und einen umfangreichen Aktionsplan aufzulegen. 2017 ist Tübingen der EU-Charta beigetreten. Die Verwaltung hat das Jubiläum zu 100 Jahren Frauenwahlrecht strategisch genutzt, um die EU-Charta bekannt zu machen und den Aktionsplan vorzubereiten. Deutlich erkennbar ist außerdem das Ziel, traditionelle Geschlechterstereotype und Rollenstrukturen aufzubrechen.

Der Jury hat besonders der intersektionelle Ansatz gefallen, ein Beispiel ist die Aktion „Queer durch Tübingen“. So gibt es seit zwei Jahren eine „Queere Woche“, mit zahlreichen Veranstaltungen und ein Forschungsprojekt mit Ausstellung zu historischen Geschichten über LSBTIQ-Personen in Tübingen. Ein anderes Alleinstellungsmerkmal ist, dass Gender Mainstreaming in der Erinnerungskultur mit einer Selbstverpflichtung zur Förderung von Projekten zur Frauengeschichte und zur Ausgrenzung von Minderheiten. Im Bereich der Sportförderung sollen zusätzliche Angebote für Mädchen und Frauen auch mit Migrationshintergrund geschaffen werden und Sportvereine darin unterstützt werden, weibliches Führungspersonal zu gewinnen. Das gilt auch für die Politik, die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt mehr Frauen für politische Ämter zu gewinnen. Offenbar erfolgreich: bei der Kommunalwahl 2019 wurden 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen in den Gemeinderat gewählt.

Punkten konnte die Stadt außerdem mit dem Engagement, Frauen sichtbar zu machen, z.B. mit dem geplanten Komponistinnenfestival, das 2023 stattfinden wird und dem Vorhaben mehr Straßen nach Frauen zu benennen.

Intern plant die Stadt ein gemeinsames Führungsverständnis in der Verwaltung zu erarbeiten, das auch Führen in Teilzeit zum Thema macht. Ein Schritt zu besseren Vereinbarkeit von Beruf und Karriere für Väter und Mütter. Aktuell liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 45%.

.Der Frauenanteil im Rat beträgt mehr als 45%.

 

2. Preis: Flensburg

Die Jury fand es bemerkenswert, dass Flensburg eine Stadt ohne diskriminierende, frauenfeindliche oder sexistische Werbung sein möchte. Um das zu erreichen, sind die Einwohner*innen aufgerufen, z.B. entsprechende Werbeplakate zu melden. Bei zukünftigen Verträgen für Werbeflächen der Stadt wird diskriminierende und sexistische Werbung untersagt.

Die Stadt Flensburg hat außerdem innovative und kreative Projekte entwickelt um die Sicherheit von Frauen (und Männern) im öffentlichen Raum zu erhöhen. Unter dem Slogan „Sich sicher fühlen – sich frei bewegen in Flensburg“ konnten die Einwohner*innen per Postkarte oder digital die Orte an das Gleichstellungsbüro melden, an denen sie sich persönlich unsicher oder unwohl fühlen. Insgesamt gingen dazu rund 200 Rückmeldungen ein, die an die entsprechenden Stellen weitergeleitet wurden und bei neuen Planungen berücksichtigt werden sollen.

Der Jury hat außerdem das Engagement für Respekt und Toleranz in Bezug auf geschlechtliche Vielfalt gefallen, für das ein großes Bündnis geschaffen wurde.

Als kleinere Stadt ist Flensburg der Europäischen Gleichstellungscharta beigetreten und hat dazu im Vorfeld die Bürger*innen beteiligt. Es gibt einen umfangreichen Aktionsplan mit sehr konkreten Einzelmaßnahmen und eine gute Vernetzungsstruktur mit anderen Europäischen Ländern. Die Jury ist auch beeindruckt, dass Flensburg die geschlechtergerechte Verteilung von Haushaltmitteln in vielen Bereichen voranbringt (Gender Budgeting).

Punkten konnte Flensburg auch damit, dass die Stadt eine Beratung für Männer anbietet und in städtischen Kitas bewusst auf rollenstereotypes Spielzeug verzichtet.

Mit der Seminarreihe "Politik sucht Frauen" sollen Interessierten Kommunikationstechniken, der Umgang mit sozialen Medien, eine gute eigene Öffentlichkeitsarbeit und Einblick in die kommunale Selbstverwaltung ermöglicht werden.

Der Frauenanteil im Rat beträgt 33% bis 45%.

 

Die Jury:

Roswitha Bocklage, BAG- Bundessprecherin und Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frau und Mann, Wuppertal
Kerstin Drobick,  BAG- Bundessprecherin und Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks Berlin-Mitte
Marianne Czisnik , Deutscher Juristinnenbund
Anja Nordmann, Deutscher Frauenrat (Bei Jurysitzung verhindert)
Dag Schölper, Bundesforum Männer
Renate Sternatz, DGB Hessen-Thüringen
Maria Unger, Bürgermeisterin a.D.
Cécile Weidhofer, Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft EAF