Arm in einem reichen Land

Aktivitäten des Deutschen Frauenrates und der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der kommunalen Frauenbüros im EU-Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung

Aufruf zur Beteiligung an den Aktionswochen „Arm in einem reichen Land“

Die Europäische Kommission hat das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen. Mit Aktivitäten der Politik und der Zivilgesellschaft soll in allen Mitgliedsstaaten das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung gestärkt und die Wahrnehmung für ihre vielfältigen Ursachen und Auswirkungen geschärft werden. Es sollen Ansätze zu deren Überwindung aufgezeigt werden. Gleichzeitig geht es darum, Vorurteilen und Diskriminierungen gegenüber von Armutsrisiken und Ausgrenzung betroffenen Menschen zu begegnen.

Aktuell soll die Aktionswoche auch dazu beitragen, den Meinungsaustausch über Konzepte zu vertiefen, die im Rahmen der Haushaltsdebatte des Bundes vertreten werden. So z. B. die Chipkartenidee zur Verbesserung der Bildungsleistungen für Kinder aus Harz IV Familien oder die geplanten Kürzung des Erziehungsgeldes der ALG II Empfänger/innen, in deren Folge zukünftig z. B. eine Frau, die einen gut verdienenden Ehemann im Hintergrund hat, weiterhin Elterngeld erhält, wohingegen einer alleinerziehenden ALG II Empfängerin das Elterngeld ab Januar 2011 komplett als Einkommen bedarfsmindernd angerechnet wird.

Der Deutsche Frauenrat und die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros wollen mit Aktionswochen in der Zeit vom 10.11. bis 10.12.2010 einen Beitrag zu diesem Europäischen Jahr leisten. Sie rufen die Mitgliedsverbände des Deutschen Frauenrates und deren Mitglieder, die Landesfrauenräte und deren Mitgliedsverbände und alle Frauen und Männer auf, mit fantasievollen Aktionen vor Ort darauf aufmerksam zu machen, dass auch in unserem reichen Land immer mehr Menschen von Armut betroffen oder bedroht sind. Dies kann dann gelingen, wenn nicht abstrakt über Armut und ihre Folgen gesprochen wird, sondern die Situation in den Städten und Gemeinden, in denen die Mitmachenden leben, aufgedeckt und skandalisiert wird.

Im Mittelpunkt der Aktivitäten in den Aktionswochen des Deutschen Frauenrates und der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros soll die Situation von Frauen und Kindern stehen. Denn viele von ihnen sind in besonderem Ausmaß und in spezifischer Weise von Armut und ihren Folgen betroffen. Deutlich werden soll auch, dass Einkommensarmut – wie es auch der Titel des Europäischen Jahrs schon signalisiert – Konsequenzen nach sich zieht, die unter dem Begriff „soziale Ausgrenzung“ zusammengefasst werden können: Die Teilnahme am kulturellen Leben, an Angeboten im Bereich des Sports z.B. ist nur eingeschränkt möglich, Kinder können an mit Kosten verbundenen schulischen oder außerschulischen Veranstaltungen kaum teilnehmen.

Schwerer aber wiegt, dass Arme und von Armut Bedrohte von sozialen Kommunikationsprozessen und damit auch von gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozessen ausgeschlossen werden. Solche Ausgrenzung schadet nicht nur den Einzelpersonen, sondern letztlich auch der Gesellschaft, die auf Ideen, Anregungen und die Mitwirkung vieler verzichtet. Eine Gesellschaft wird es sich aber auf Dauer nicht leisten können, dass immer mehr ihrer Mitglieder in der Perspektivlosigkeit versinken.

Was können Sie tun? Bilden Sie an dem Ort, an dem Sie leben, mit den Gruppen / Organisationen, in die sie eingebunden sind, mit anderen ein Bündnis. Schauen Sie sich die Situation in ihrer Stadt/ Gemeinde an: Wer ist hier arm? Wer ist erwerbslos und aus diesem Grund armutsbedroht? Aber auch: Wer unternimmt etwas gegen Armut in Ihrer Stadt / Ihrer Gemeinde? Was tut die örtliche Verwaltung, unternehmen die politischen Parteien, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände? Reicht das alles aus – oder was könnte wer noch tun, um die von Armut Betroffenen oder Bedrohten zurückzuholen in die Gemeinschaft? Kurzum: Beenden Sie das Schweigen über Armut in Ihrer Stadt / Ihrer Gemeinde – und setzen Sie Zeichen der Hoffnung.

Damit dies leichter möglich ist, stellen die Initiatorinnen der Aktionswochen Material zur Verfügung. Auf der Website des Deutschen Frauenrates und der der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros finden Sie Hintergrundinformationen zum Thema, Anregungen für Aktionen und Aktivitäten und weiterführende Literaturhinweise.

Damit unser gemeinsames Bemühen nicht folgenlos bleibt, erheben der Deutsche Frauenrat und die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros Forderungen an die Politik. Sie können diese Forderungen mit ihrer Unterschrift unterstützen – und bei Ihren Aktionen Unterschriften sammeln. Diese sollen nach Abschluss der Aktionswochen den politische Verantwortlichen übergeben werden, um zu signalisieren: Ein Europäisches Jahr reicht nicht aus – es müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um Armut und soziale Ausgrenzung effektiv und nachhaltig zu bekämpfen. Machen Sie mit, damit nicht länger Menschen in unserem Land mit „nem Appel und nem Ei“ auskommen müssen.

Marlies Brouwers
Vorsitzende des Deutschen Frauenrates

Dörthe Domzig
Sprecherin BAG kommunaler Frauenbüros.

Der Aufruf zum Download (PDF/ 70 KB)

Im Folgenden haben wir für Sie Hintergrundinformationen und -materialien zum Download zusammengestellt. Dieses Angebot wird in den nächsten Wochen kontinuierlich aktualisiert und ergänzt.