Laudatio für München

Preisverleihung Gender Award - Kommune mit Zukunft 2019 für die 1. Preisträgerin Landeshauptstadt München, Laudatorin: Maria Unger, Bürgermeisterin i.R.  der Stadt Gütersloh

Die EXPO REAL, die jährliche Gewerbeimmobilienmesse in München waren für mich in meiner Amtszeit immer wieder Anlass, die einwohnerstärkste Stadt Bayerns mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen zu besuchen.

München wird lt. Wikipedia zu den Weltstädten gezählt und gilt als ein Zentrum der Kultur, Politik, Wissenschaft und Medien. Es ist Sitz zahlreicher Konzerne, darunter 5 DAX- Unternehmen.

München hat mit ca. 4.700 Einwohner und Einwohnerinnen je Quadratkilometer die höchste Bevölkerungsdichte aller deutschen Gemeinden. Laut Zensus 2011 lag der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bei 34,3 Prozent, einem der höchsten Werte unter den deutschen Großstädten - Vergleich Berlin 28 Prozent -. Die Wohnraumpreise und die Mieten sind sehr hoch.

Die Stadtverwaltung München ist die größte Stadtverwaltung in Deutschland – ausgenommen sind Berlin und Hamburg wo staatliche und gemeindliche Aufgaben nicht getrennt sind – mit insgesamt 36.852 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon sind ca 57% weiblich und ca. 43% männlich.

Frauenpolitisch war die Stadt München - wie ich nachlesen konnte - eine besondere Vorreiterin. Schon vor 1900 war München ein Kristallisationspunkt der Frauenbewegung. Im Jahr 1899 fand der erste bayerische Frauentag statt. Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Ingvild Richardsen, die in einem Gespräch vor einigen Wochen mit Judith Heitkamp von Bayern 2 formulierte: (ich zitiere) „Heute kann man sagen, es ist die erste frauenpolitische Zusammenkunft gewesen. Dabei muss man wissen, dass Frauen eigentlich verboten war. Die Stadt München hat den alten Rathaussaal zur Verfügung gestellt. Zum ersten Mal war es der Frauenbewegung gelungen, eine große gesellschaftliche Bühne zu erobern und eben auch Männer für ihre Belange zu interessieren“. (Zitat Ende)

Nicole Lassal (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt München) formulierte anlässlich derVeranstaltung zu 120 Jahre Frauentag in ihrem Grußwort - ich zitiere: „München war ein Zentrum der Frauenbewegung um 1900. Frauenrechtlerinnen und Feministinnen trafen sich hier, um sich zu vernetzen, auszutauschen, zu organisieren“. Zitat Ende

Liebe Münchner, liebe Münchnerinnen,

Sie sind bis heute ihrem Ziel für die Gleichberechtigung aller Menschen einzutreten, treu geblieben. Für Ihre - wie hat es ein Jurymitglied formuliert - unglaublich tolle Bewerbung müsste es allein einen Extrapunkt geben. Sie haben es geschafft, eine hervorragende Struktur für Gleichstellungsarbeit aufzubauen, das war ebenso die einhellige Meinung der Jury. Sie haben vor vielen Jahren schon entschieden, Gleichstellung als Querschnittsthema zu fördern und dafür auch die entsprechenden Finanzen zur Verfügung zu stellen. Die Gleichstellungsstelle für Frauen wurde im Jahr 1985 als Stabsstelle des Oberbürgermeisters eingerichtet und ist mittlerweile mit 8 Stellen personell ausgestattet. Sie haben es erreicht, dass in allen Ämtern ihre Konzepte angedockt sind und mit Personal hinterlegt sind. Mit dieser Strategie sorgen Sie dafür, dass Gleichstellung tatsächlich als Querschnittsthema verankert ist.

Das bayrische Gleichstellungsgesetz ermöglicht Kommunen, eigene Satzungen zu erlassen. Davon haben Sie in vorbildlicher Art und Weise Gebrauch gemacht und die Beteiligungsrechte der Gleichstellungsstelle erheblich erweitert.

Mit einem Monitoring wird der Stand der Gleichstellung u.a. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeit und Kultur analysiert, Lücken werden aufgedeckt und daran gearbeitet. Bei allen städtischen Vorhaben überprüfen Sie die qualitativen und quantitativen Auswirkungen auf Frauen und Männer, Mädchen und Jungs, um Benachteiligungen zu vermeiden.

Sie sind jährlich an 100 Beschlussvorlagen beteiligt und setzen so konkrete Impulse in allen kommunalen Handlungsfeldern. Ihre Aktionen deuten auf eine große Akzeptanz der Gleichstellungsarbeit hin. Nur ein Beispiel: Verbot sexistischer Werbung auf allen städtischen Werbeanlagen.

Als ehemalige Bürgermeisterin und damit Vorsitzende des Rates einer großen Mittelstadt hat mich ganz besonders an Ihrer Bewerbung fasziniert, dass der Münchener Stadtrat im Jahr 2018 eine freiwillige Selbstverpflichtung hinsichtlich einer Geschlechterquote bei der Besetzung von Gremien mit Stadtratsmitgliedern beschlossen hat. Vielleicht berichten Sie mir einmal gleich im persönlichen Gespräch, wer diesen Antrag gestellt hat, kam dieser Anstoß aus der Verwaltung oder war es die Politik, die dieses Ziel erreichen wollte, oder auch beide gleichzeitig? War es ein mehrheitlicher Beschluss oder gar einstimmig?

Übrigens: Der Anteil der Politikerinnen im Kommunalparlament beträgt 45 Prozent, das ist im bundesweiten Vergleich ein hoher Prozentsatz. (Anmerkung von mir: das haben wir in Gütersloh noch lange nicht erreicht - ).

Die Selbstverpflichtung für eine Geschlechterquote gilt für den Aufsichtsrat der Stadtwerke genauso wie für die Kommission für Stadtgestaltung und die Hauptversammlung des deutschen Städtetages. Aktuell geht es um 123 Gremien, in 81 sind die Vorgaben bereits erfüllt. Und Insiderinnen unter uns wissen, wie zwingend notwendig, ein solcher Beschluss insbesondere in der Besetzung überörtlicher Gremien ist.

Chapeau!!!!

Was sehr beachtlich ist und ein Vorbild für andere Kommunen ist ihr Anteil der Frauen in Führungspositionen, insgesamt 48,8 Prozent und der Frauenanteil im höheren Dienst knapp 40 Prozent. Der Jury gefiel auch, dass München eine Stelle für Frauenkultur eingerichtet hat und das an allen städtischen Schulen sowohl Mädchen- als auch Jungenbeauftragte eingesetzt werden. Außerdem sollen Spielplätze und Sportflächen gendergerecht geplant werden.

Besonders hervorheben möchten wir als Jury neben den anderen sehr wertvollen Themen wie Umsetzung der EU-Charta, Genderbudgeting, Gender Mainstreaming, Gendermonitoring auch die Möglichkeit für ihre Beschäftigten im Rahmen der Wohnraumfürsorge eine städtische Wohnung zu vergünstigten Mietpreisen zu erhalten. Eingangs habe ich ja schon die hohen Wohnraumpreise und Mieten erwähnt. Hier vergeben Sie an Alleinerziehende zusätzliche Dringlichkeitspunkte.

Bei der Betreuung von Angehörigen (Vereinbarkeit von Beruf und Familie) bieten Sie das „Rund um Sorglos Paket an.

Bei ALLER Wertschätzung für Ihre Arbeit war die Jury allerdings auch der Meinung, dass insbesondere in der Väterarbeit noch Luft nach oben ist und auch der Fokus auf Migranten und Migrantinnen nicht erwähnt wurde, oder doch und wir haben es nicht gelesen??....

Liebe Münchner und Münchnerinnen, Sie haben durch ihre Bewerbung ein Bild einer Gleichstellungsarbeit entworfen, anhand dessen man konkret merkt, wie Sie die Strukturen angelegt haben und wie durchdacht ihre Arbeit aufeinander aufbaut. „Hinreißend“, so eine Aussage eines Jurymitgliedes.

Ich möchte Ihnen im Namen der BAG, im Namen aller Jurymitglieder zu Ihrem Gender Award herzlich gratulieren. Sie sind ein Vorbild für viele Kommunen, auch für kleinere, die über diese women- and men-power zur Durchsetzung der gleichstellungspolitischen Ziele nicht so verfügen.

DANKE an die Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüros -namentlich Heike Gerstenberger und ihr Team - für die wunderbare Vorbereitung der Preisverleihung. Gerade auch dieser Preis zeigt, dass die Netzwerkarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft für uns alle unverzichtbar ist.

Beenden möchte ich meine Laudatio mit einem Zitat von August Bebel: „Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter“.

Herzlichen Dank!